New Work
Zuhause am Arbeitsplatz

Warum Wohndesign immer mehr Einzug in die Office-Gestaltung erhält.

Die Verschmelzung vom Zuhause als Büro und Arbeitsort hat sich in letzter Zeit durch Home Office und Co. unbestreitbar beschleunigt. Cloudbasierte Programme, Besprechungstools und viele weitere Technologien haben es Mitarbeitenden ermöglicht, auch außerhalb ihres traditionellen Arbeitsplatzes hochproduktiv zu sein. Für manche ist es die Möglichkeit, sich unabhängig vom eigenen Team zu konzentrieren und auf die Arbeit zu fokussieren. Für andere ist es die verbesserte Work-Life-Balance bei der Vereinbarkeit von häuslichen und familiären Pflichten während der Kernbürozeiten.

Für viele ist diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Herausforderung: Es gab vielerorts traditionelle und konservative Unternehmen, in denen Mitarbeitende, die Kinder haben (oder, was noch wichtiger ist, Zeit mit diesen Kindern verbringen) als eine Form von Schwäche angesehen wurden, weshalb sie für eine berufliche Weiterentwicklung als ungeeignet angesehen wurden.

Mitarbeitende wurden daraufhin kühl, legten eine "professionelle Maske" auf, eine Fassade, die sich ganz von ihrer eigentlichen Persönlichkeit unterscheidet. Glücklicherweise hat sich diese Einstellung sowohl aus Sicht der Unternehmen, als auch der Mitarbeitenden erheblich verändert: In den vorangegangenen zehn Jahren hat sich die Schaffung familienfreundlicher physischer Einrichtungen am Arbeitsplatz erheblich verbessert. Zu diesen Einrichtungen gehören Elternzimmer, Familienräume, Kinderkrippen und Nachmittagsclubs. Doch nicht nur den Jüngsten wird spezielle Aufmerksamkeit zuteil: Am anderen Ende des Altersspektrums haben einige größere Unternehmen bewusst Familienräume gestaltet, die gleichermaßen die sichere vorübergehende Pflege eines älteren pflegebedürftigen Angehörigen ermöglichen.

Verständnis statt Ablehnung

Gerade, als sich die Einstellung zur Familie und zur Eingliederung der Familie in den Arbeitsplatz langsam änderte, mischte sich COVID plötzlich in den Arbeitsalltag ein und erzwang eine bahnbrechende Reaktion der Unternehmenswelt.

Die Pandemie zwang uns zu einer vermehrten Nutzung von Videokonferenz-Tools im eigenen Zuhause, damit die Arbeit trotz allem weiter ermmöglicht werden konnte. Es wurde weitaus größeres Verständnis und Respekt für unsere persönlichen Situationen und Verantwortlichkeiten geschaffen: Wir alle haben die Unterbrechungen von Kindern und Haustieren gesehen, was uns doch den einen oder anderen amüsamten Zoom-Moment bescherte. Diese unsichtbare Mauer, die die Leute errichteten, um Kollegen und Kolleginnen von ihrem Privatleben abzuschirmen, verschwand.

Die menschliche Seite des anderen zu sehen, ließ häusliche Verpflichtungen weniger „tabu“ erscheinen, insbesondere für Mütter, die zuvor das Bedürfnis hatten, ihre elterliche Verantwortung zu verbergen, um ernst genommen zu werden. Die Pandemie hat nicht nur verändert, wie und wo wir arbeiten - Sie hat auch unsere Sicht auf professionelles Verhalten im Allgemeinen verändert. Dieser Wahrnehmungswandel wird zu einer Veränderung der Arbeitsplatzgestaltung führen, da wir weichere Räume schaffen müssen, die die überragende Ästhetik des „Zuhauses“ umfassen.

Flexibilität vs. Produktivität

Auch wenn sich das Unternehmensfenster zu unseren heimischen Welten zwar geöffnet hat, sollte nicht vergessen werden, dass dies auch nur vorübergehend sein könnte. Verschiedene Unternehmen reagieren sehr unterschiedlich auf die Kluft, die die einzelnen Lockdowns angerichtet haben. Beispielsweise lud eine der größten globalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirmen ihre Mitarbeitenden ein, dauerhaft zu arbeiten, wo und wann immer sie wollten, und wechselte zu einem vollständig leistungsbasierten Betriebsmodell. Dem gegenüber stehen zwei große US-Investmentbanken, die mit einer Rückkehr zum Büroalltag in die andere Richtung gingen. Einige Firmen haben die klare Vorstellung, dass die Arbeit von zu Hause mit schulpflichtigen Kindern im Schlepptau nicht erfolgsorientiert bewerkstelligt werden kann.

Wie weit sich das Verhältnis von Büroarbeit zu Home Office dauerhaft verschiebt, bleibt abzuwarten, aber es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die Arbeit von zuhause aus zunehmen wird. Für Unternehmen, die zumindest zeitweise die Vorteile dessen sehen, besteht eine Herausforderung darin, die Mitarbeitenden zurück ins Büro zu holen.

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Warum im Büro arbeiten?

Diejenigen, die selbst entscheiden konnten, an welchem Ort sie arbeiten, hatte das gemeinsame Büro früher zwei klare, greifbare Vorteile: Das Unternehmen bot schnelle und widerstandsfähige Technologien, die im Home Office vielerorts erst selbst geschaffen werden mussten. Zudem bietet das Büro vor Ort eine gewisse Konnektivität zu Kollegen und Kolleginnen. Obwohl die Bedeutung dessen dank so vieler verfügbarer Kommunikationstechnologien abgenommen hat, hat die unmittelbare, physische Nähe immer noch einen deutlichen Vorteil. Neue Untersuchungen von PWC zeigen, dass die Mehrheit der Australier (72 %), die von zu Hause aus arbeiten können, immer noch eine Mischung aus persönlicher und Remote-Arbeit bevorzugen. Obwohl sich einige Mitarbeiter dafür entscheiden, aus der Ferne zu arbeiten, werden diejenigen, die ins Büro kommen, von dem Wunsch angetrieben, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Die Gelegenheit für informelle Gespräche sowie die Möglichkeit, Wissensaustausch und zufälliges Lernen auf einem Niveau zu ermöglichen, das aus der Ferne wahrscheinlich nicht ersetzt werden kann, ist besonders für diejenigen entscheidend, die ihre Karriere ohne bereits entwickeltes, starkes internes Netzwerk beginnen.

Lerneffekte des Lockdowns

Eine interne Umfrage der australischen Interior-Design-Firma Hames Sharley hat ergeben, dass die Konzentrationsarbeit zu Hause einfacher sei. Oft wurde in diesem Zusammenhang allerdings die Tatsache erwähnt, dass ein eigenes Büro oder zumindest ein umfunktioniertes Gästezimmer an dieser Stelle sehr hilfreich gewesen sei. Natürliches Licht und Luft standen positiv im Fokus, was auf die Notwendigkeit eines größeren Arbeitsplatzes im Freien hindeutet. Auch hat die Umfrage ergeben, dass die Mitarbeitenden vermehrt Wert auf ein gesteigertes Umweltbewusstsein legen würden. Einge wünschten sich zudem mehr "Chillout-Lounges" für entspannteres Arbeiten, sowie vielfältigere Arbeitsflächen, zwischen denen die Mitarbeitenden flexibel wählen können.

Eine Aufweichung des physischen Raums

Da sich immer mehr Mitarbeitende an die Arbeit in einer entspannten häuslichen Umgebung gewöhnt haben und Arbeitgebende die Vorteile der Produktivität erkennen, wird der Wunsch verstärkt, diese entspannte Umgebung am Arbeitsplatz nachzubilden. In den kommenden Jahren ist zu erwarten, dass sich traditionelle Büroräume in eine wohnlichere und einladendere Atmosphäre verwandeln werden.

Da sich unsere Einstellung zur Professionalität mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit entspannt hat, wird der Arbeitsplatz höchstwahrscheinlich nachziehen. Die Möglichkeit, verschiedene bequeme Orte im eigenen Zuhause zu finden, die einer bestimmten Aufgabe oder sogar unserer Stimmung entsprechen, kann auch auf andere Orte übertragen werden. Die harten Kanten und klaren Linien, die mit Unternehmensarbeitsplätzen verbunden sind, werden sich möglicherweise verringern. Viele Coworking Spaces zum Beispiel, haben diesen Ansatz bereits verfolgt.

Die Verwendung warmer Farben, üppiger Bepflanzung, natürlicher Materialien, maßgefertigter Kunstwerke und spezieller Beleuchtung tragen ebenfalls dazu bei, eine gemütliche und einladende Willkommensatmosphäre zu schaffen, die die Produktivität fördert.

Arbeitsplätze müssen die Interaktion der Mitarbeitenden fördern, indem sie mehr Bereiche für die Zusammenarbeit bereitstellen: Besprechungsräume, zwanglose Loungebereiche und sogar "Gaming-Rooms" bieten den Kolleginnen und Kollegen einen Raum, um Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Es ist bekannt, dass viele Menschen mit der Lockdown-Isolation zu kämpfen hatten. Das Büro war und ist für viele Menschen nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein Ort der Sozialisation. Es ist ein Ort, um sich zu treffen und die Geselligkeit zu genießen, was das Gefühl des häuslichen Crossovers verstärkt.

Familie und Zuhause am Arbeitsplatz

Die Schaffung eines Heimatgefühls am Arbeitsplatz geht über das Aufweichen von physischen Räumen hinaus – es geht darum, einen Ort zu schaffen, an dem Familie und sogar Haustiere willkommen sind. Ob private Räume für Mütter zum Füttern ihrer Babys, Spielbereiche für ältere Kinder oder Familienzimmer mit Fernseher und Mikrowelle, damit Verwandte Essen mitbringen können. Bei der Gestaltung eines familienfreundlichen Arbeitsplatzes geht es darum, einen integrativen Ort zu schaffen, an dem sich Familien willkommen fühlen und sich Mitarbeiter wie zu Hause fühlen.

Obwohl das Konzept des familienfreundlichen Designs sicherlich nicht neu ist, kann mit einer wachsenden Nachfrage nach einer Aufweichung der Büroumgebung zugunsten eines häuslicheren Arbeitsplatzes nach der Pandemie gerechnet werden.

Das vergangene Jahr hat die Welt auf den Kopf gestellt. Und die Arbeit während des Lockdowns hat unser Verständnis von Arbeit und Produktivität infrage gestellt. Es gibt keine signifikante Kluft zwischen Arbeits- und Privatleben mehr – und da diese beiden Welten weiter miteinander verschmelzen werden, wird das Design folgen und letztendlich einladendere Büroumgebungen schaffen, die den Mitarbeitenden ein Zuhause in der Ferne bieten.

 

Hames Sharley, Perth, Oktober 2021