Wenn es stimmt, was Arbeitspsychologen und Trendforscher seit Jahren behaupten, nämlich dass Arbeit und Alltagsleben zunehmend miteinander verschmelzen, dann könnte ein Blick auf die prähistorischen Höhlenmalereien unserer Vorfahren lohnen. Denn wohl niemals in der Menschheitsgeschichte waren Arbeit und Freizeit so eng miteinander verzahnt, wie im betriebsamen Paläolithikum – und selten schenkte die Menschheit der Gestaltung ihrer Wände mehr Aufmerksamkeit.
„Wir haben seitdem nichts dazugelernt“, murmelte Pablo Picasso nach einem Besuch der damals gerade entdeckten Höhlen von Lascaux in der Dordogne. Die mit Ockerfarben, bräunlichem Manganoxid und rötlichen Eisenoxiden kunstvoll verewigten gewaltigen Auerochsen und die Pferde mit ihren im Galopp offenen Mäulern, bebenden Nüstern und wehenden Mähnen hatten ihn schwer beeindruckt. Bilder wie diese gehören zu den ersten Kunstwerken der Welt und werden von Anthropologen als Ausgangspunkt der Entwicklung des Homo Sapiens zum kulturellen Wesen betrachtet. Und dessen aufwändige Wandmalereien nicht nur als Versuch, sich kreativ auszudrücken, sondern auch als ganz pragmatisches Bestreben, den täglichen Arbeits- und Lebensraum so zu gestalten, dass er die eigene Schaffenskraft beflügelt.
Frischer Wind ins eigene Denken
Zwar mag es uns (zum Beispiel im Berufsverkehr, auf dem Fußballplatz oder auch am Buffet) nicht immer leicht fallen, die eigene Spezies als kulturelles Wesen zu begreifen.
Doch davon abgesehen können nicht nur nach Ansicht des Freiburger Arbeitspsychologen Heinz Schüpbach „bunte Farben und abwechslungsreiche Wandmotive frischen Wind ins Büro und ins eigene Denken bringen.“ Natürlich müsse man immer den individuellen Geschmack der Mitarbeiter im Blick haben, doch grundsätzlich seien Farben und gestalterische Inspirationen „auf jeden Fall zu empfehlen“, so Schüpbach.
„Unternehmen unterschätzen oft immer noch die Bedeutung des Designs“, sagt der US-Psychologe Ron Friedman, dessen Buch The Best Place to Work: The Art and Science of Creating an Extraordinary Workplace über die unbewussten Kräfte, die an unserem Arbeitsplatz wirken, auf dem besten Weg ist, zu einem modernen Klassiker der Arbeitspsychologie zu werden. Darin zeigt er unter anderem auf, welch große Rolle die Gestaltung der uns umgebenden Wände beim Arbeiten spielen. „Unsere direkte Umgebung beeinflusst unsere Art, zu denken, zu fühlen und zu arbeiten. Sie kann uns motivieren oder ermüden, den Teamgeist fördern oder uns zu Einzelkämpfern machen.“
In der Arbeitspsychologie wie auch der Verhaltensforschung gilt es als unbestritten, dass die Wandgestaltung unser Wohlbefinden und damit unsere Motivation, Kreativität und Lernkurven heben oder senken kann.
Weiße Raufasertapetenwände, so ließe sich zusammenfassen, sind wie ein Steinpilzrisotto ohne Gewürze und Chardonnay: Eine verpasste Chance.
Wandbilder statt Handbücher
Denn Wandbilder können nicht nur die Kreativität ankurbeln, sondern auch auf spielerische, unaufdringliche Weise helfen, Informationen zu transportieren. Etwa über Strukturen des Arbeitsablaufs oder über Werte und Philosophie des Unternehmens.
Das 2003 gegründete Unternehmen Dialogbild aus Hamburg ist Europas führender Anbieter für Dialogbildmedien und spezialisiert darauf, komplexe Unternehmensthemen für die interne und externe Kommunikation zu veranschaulichen. „Wir sehen uns als kreative Unternehmensberatung“, sagt Geschäftsführer Tom Becker. „Damit Strategien gelebt werden können“, so der gelernte Illustrationsdesigner, „müssen sie zunächst einmal von jedem Mitarbeiter verstanden werden.“
Diese Inhalte könnten mithilfe von Erklärvideos, E-Learning, in begehbaren Dialogräumen oder über eine bestimmte Abläufe veranschaulichende Wandgestaltung transportiert werden. Und zwar „erheblich wirksamer, als in verstaubten Handbüchern, die im Sideboard ebenso erfolglos darauf warten, gelesen zu werden, wie Zuhause die Gebrauchsanweisung für den Wäschetrockner.“ Anders als diese könnten Bilder als Diskussionsgrundlage eingesetzt und an zentralen Orten des Unternehmens aufgehängt, installiert oder aufgemalt werden, um im Arbeitsalltag ihre Wirkung zu entfalten.
Einen etwas anderen Ansatz, der weniger auf Informationen, als Emotionen ausgerichtet ist, verfolgt die Firma Coastal Creative aus dem kalifornischen San Diego mit ihren Ideen für eine die „Produktivität ankurbelnde“ Wandgestaltung: In "9 Office Wall Mural Ideas To Boost Productivity" stellt die Firma hier unterschiedliche Techniken vor.
Inzwischen erlaubt es sich kaum ein modernes Unternehmen, sein Risotto nicht mit farbenfrohen Illustrationen oder prägnanten Leitsprüchen zu würzen wie diese Bildergalerie veranschaulicht – auch wenn sich vielleicht nicht jedes Motiv mit den Wildpferden von Lascaux messen kann.
Wandbilder als Teil unserer Office-Cases
Autoren: Jonas Demel, Svenja Suck
Fotos: John Sutton (Netflix), Shao Feng, Zhou Yuqiang, Hu Yijie (Unova), Bruce Damonte (Microsoft), Garrett Rowland, Amy Young (Slack), Alexey Zarodov (RD Construction), Tom Harris (YELP), Mark Seelen (Zalando), Sui Sicong (SOHO 3Q), Casey Dunn, Andrea Calo (Bumble), Jonathan Moyal (Brigad), Peter Würmli (PULS), Gareth Gardner (Mendeley), Andreas Meichsner (Monday Consulting)