In einem Sommer wie diesem hat man im Grunde nur zwei Möglichkeiten, der Hitze zu trotzen. Man richtet sich zu Hause ein und wartet hinter schweren Samtvorhängen bei lauem Minztee darauf, dass Apple endlich die Armbanduhr mit Ventilator-App oder Elon Musk das erste Unisex-Businesdress mit integriertem Klimaregler auf den Markt wirft.
Oder man macht sich auf – dass einem der Fahrtwind die Wangen kühle –, erkundet die Welt und schaut den anderen beim Arbeiten zu. Eine Reise zu den schönsten, innovativsten, skurrilsten Arbeitsplätzen der Welt.
Handelskammer, Hamburg
Wo anders als in Hamburg könnte eine solche Reise beginnen, dem Tor zur Welt?
Wer unter den stuckverzierten Arkaden entlangflaniert und den Blick hebt, kann die freischwebenden Modelle der historischen Konvoischiffe bewundern, Kriegsschiffe zur Bekämpfung der Piraterie. Frühstück und Lunch gibt es im im Stil der historischen Moderne gehaltenen Kantine Pfeffersack. Dass man die hier aufgerufenen Preise einst mit Konvoischiffen bekämpft hätte, ist nur ein unverschämtes Gerücht, jedes Mittagessen ist unter zehn Euro zu haben.
Adidas, Herzogenaurach
Bei Adidas im fränkischen Herzogenaurach ist man unter luftigen, strahlend gelben Vorhängen kreativ.
Adidas Valley by Actincommon. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Honest Company, Los Angeles
Nicht um die Ecke, aber mit Sicherheit einen Besuch wert, ist die Honest Company in Los Angeles. Zentrum jeder Etage ist der kommunikative Knotenpunkt, die Küche. Ein Ort zum Wohlfühlen der wieder einmal zeigt: Wer seinen Mitarbeitern so viel Wertschätzung entgegenbringt, wird von diesen belohnt.
The Honest Company by RAPT Studio. Foto: Erich Laignel. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Dynamic Yield, Tel Aviv
Unverbaut, roh, provisorisch. Und doch mit offenen Armen zum Verweilen einladend: so präsentieren sich die 2017 gestalteten Räumlichkeiten des Dynamic Yield in Tel Aviv. Die erfolgsgewissen Gründer betrachten die 2.400 Quadratmeter Fläche bewusst als Zwischenlösung auf dem Weg zum nächsten Expansionsschritt.
Dynamic Yield by David Studio. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Money.co.uk, Cirencester
Keine Angst vor Bonbon-Pomp! Knapp hundert Meilen nordwestlich von London können Mitarbeiter des Finanzdienstleisters money.co.uk in einer veritablen alten Ritterburg ihren Geschäften nachgehen. Falls nötig kann man sich vor empörten Klienten mit alten Rüstungen schützen oder durch eine Geheimtür im Bücherregal entkommen.
money.co.uk by Interaction. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Google, Zürich
„Meinen Sie Zürich zum Beispiel sei eine tiefere Stadt, ...“. Bei Google legt man Wert darauf, immer auch dem Charakter des Landes Rechnung zu tragen. Die gepolsterten Gondeln laden ein zum Plaudern. Wer die Stille sucht, schließt die Tür, sinniert oder nimmt ein Buch zur Hand. Vielleicht ja einen Gedichtband, der Gottfrieds Benns melancholische Betrachtung über das Reisen enthält, bei dem man sich selbst doch nie entkommen könne.
https://www.deutschelyrik.de/index.php/reisen-1048.html
google Zürich by Evolution Design. Foto: Peter Würmli. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Fender, Los Angeles
Nach Jahrzehnten in Arizona ist der ikonische Instrumentenbauer Fender inzwischen wieder zurückgekehrt zu seinen Wurzeln nach Kalifornien. In Hollywood am Sunset Boulevard haben die Designer von Rapt Studio , weite, offene Flächen geschaffen, in denen die Gitarre omnipräsent ist. Für die akustische Betriebshygiene ist zu hoffen, dass möglichst viele Mitarbeiter auch wirklich spielen können.
Fender by RAPT Studio. Foto: Erich Laignel. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Red Bull, Mailand
Hier dominieren klare, energische Formen. Der Brausehersteller setzt auf sachliche Stringenz.
Red Bull Mailand by Il Prisma. Foto: Vito Corvasce. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
KASIKORN BTG, Bangkok
Auf 41.000 Quadratmetern hat der thailändische Anbieter von Business-Technologie Kreativzellen, Erholungszonen, Besprechungszimmer und Bürozeilen angeordnet. Im Hintergrund ist die offene Präsentationsarena zu sehen.
Kasikorn by pbm. Foto: W Workspace. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Linkedin, Paris
Den Vorgaben ihres Auftraggebers gemäß haben die italienischen Designer von Il Prisma das „Ökosystem des Arbeitens“ gestaltet. An diesem Ort sollen die Mitarbeiter das ideale Umfeld vorfinden können, um ihre Fähigkeiten bestmöglich zur Entfaltung zu bringen. Eine Ruhezone für die Zeit nach dem Genuss einer doppelten Portion Crépes Susette gehört unbedingt dazu.
LinkedIn Paris by Il Prisma. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Opera Software, Breslau
„Wir wollen das beste Büro der Welt.“ Der Auftrag an das Designstudio mode:lina für die beiden Bürgerhäuser aus dem frühen 20. Jahrhundert war nicht gerade bescheiden. Wer nun aber effektheischende Elemente á la Sie-wissen-schon erwartet, liegt falsch. Subtil wurden städtebauliche Details aus Breslau in das Gestaltungskonzept eingearbeitet. Diese finden sich insbesondere im Gitterwerk und den unzähligen Bogenformen wieder. Eine Reminiszenz an Breslaus Image als Stadt der einhundert Brücken.
Pernod Ricard, Sydney
Zum Abschluss ist es Zeit anzustoßen. Auf ein Leben, in dem das Gegensatzpaar Büroalltag/Privatleben der Vergangenheit angehört, weil man endlich auch an seinem Arbeitsplatz der sein kann, der man nun mal ist.
Um das zu zeigen, gibt es kaum einen besseren Ort, als die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten von Pernod Ricard in Sydney. Hier, im 43. Stock des Tower 1 in Barangaroo wird das Motto des Hauses tatsächlich gelebt: Moments of conviviality.
Pernod by The Bold Collective. Foto: Andrew Worssam. Für mehr Einblicke zum Projekt klicke hier.
Mit einem leichten Schwipps und starkem Jetlag kehren wir nun heim hinter unsere dunkelblauen Samtvorhänge. Und denken an behagliche Küchen, alpine Gondeln, an Burgen und an Brückenmuster. Und natürlich an den Beschwerdebrief an die Reiseleitung für die höchst eigenwillige Streckenführung. Aber dafür ist Zeit bis morgen.
Autor: Jonas Demel, Header Foto: Fender by RAPT Studio. Foto: Erich Laignel.