Arbeitsplatzgestaltung in Zeiten von Covid 19
Wohl keiner von uns hätte sich zu Beginn des Jahres vorstellen können, wie umfassend sich unser Leben schon in wenigen Wochen ändern würde. Die Pandemie hat sich in tief unseren kollektiven Alltag eingegraben und längst ist klar: So wie damals auf der Weihnachtsfeier im fernen Dezember wird es sobald nicht mehr. Und auch in unserem Arbeitsleben bleibt bis auf Weiteres kein Stein auf dem anderen. Wie wird sich die Gestaltung von Arbeitsplätzen in Zeiten von und nach Corona wandeln? Und welche Veränderungen werden bleiben? Diese Fragen stellten wir einer Reihe der wichtigsten Designer und Innenarchitekten in Deutschland und der Welt. Die Antworten veröffentlichen wir ab sofort in unserer Serie „Workplace design in times of Corona“.
Über die neue Relevanz der Begegnung im Unternehmen
Noch vor wenigen Wochen galt in modernen Organisationen neben einem attraktiven Arbeitsplatz vor allem die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu dürfen, als Must-have. Die COVID-19-Pandemie hat aus Letzterem in kürzester Zeit für alle eine Notwendigkeit gemacht. So holprig der Anfang auch gewesen sein mag, die meisten haben sich schnell an die neue Situation angepasst.
Heute finden Kommunikation und Zusammenarbeit überwiegend medial statt. Viele, die der „Unkontrollierbarkeit“ dieser Arbeitsform zuvor noch kritisch gegenüberstanden, erkennen nun auch ihre Vorteile: Man spart Zeit, klimaschädliche CO2-Emissionen – und Kosten, etwa für Reisen.
Und während sich die einen mittlerweile aus der häuslichen Isolation in ihre gewohnte Arbeitsumgebung im Unternehmen zurücksehnen, stellt sich in mancher Firmenzentrale nun die Frage: Welche Rolle spielt ein Unternehmenssitz angesichts der vielen Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit in Zukunft überhaupt noch?
Vom starren Büro zum flexiblen Urban Office
Die aktuelle Situation wirkt auf die Digitalisierung der Arbeit wie ein Beschleuniger. Und sie macht umso deutlicher, dass der klassische Arbeitsbegriff und damit auch das historische Monopol des Büros als einziges produktives Zentrum längst ausgedient haben.
Neue Codes kennzeichnen unsere Art zu arbeiten, es werden Personal Trainer und Innenarchitekten für die Arbeitswelten engagiert und der Team-Spirit zum familiären Miteinander entwickelt. Menschliche Arbeit gestaltet sich zunehmend fließender: kommunikativ, kollaborativ, interaktiv, experimentell und kreativ.
Arbeiten bedeutet heute, komplexe Herausforderungen in sich ständig wandelnden Situationen kreativ zu lösen. Um schnell auf verändernde Rahmenbedingungen antworten zu können, ist eine agile Organisation erfolgskritisch. Dazu brauchen Mitarbeiter*innen im Büro der Zukunft flache Hierarchien und verschiedene Raumzonen, die Konzentration genauso ermöglichen wie Austausch und Inspiration.
Klug konfigurierte Arbeitslandschaften können so selbstwirksam Wissensarbeiter unterstützen, Wissen zu erwerben und zu teilen. Denn Wissen ist die neue Währung der Arbeit.
Ein Ort der Begegnung
Unternehmen sind gefordert sich dem hohen Tempo des Technologiewandels zu stellen und zeitnah darauf reagieren zu können. Festgelegte Raumnutzungen hemmen diese Entwicklung. Digitale Tools und agile Arbeitsweisen hingegen unterstützen Mitarbeiter*innen dabei, komplexe Anforderungen kreativ zu managen.
Trotzdem wird der Arbeitsplatz im Unternehmen keineswegs als notwendiges Übel betrachtet. Bei einer Umfrage im Rahmen des Gensler’s U.S. Workplace Survey 2020 gab die Mehrheit an, den Büroarbeitsplatz gegenüber zu Hause und Cafés vorzuziehen.
Bei allen Vorteilen, die eine umfassende technische Infrastruktur bietet, kann sie eines jedoch nicht ersetzen: die persönliche Begegnung. Angesichts der möglichen Vereinsamung in einer zunehmend digitalisierten Welt behält das Büro als Ort des Zusammenkommens seine Bedeutung. Das flexible Office schafft einen Kraftort, an dem Menschen Vertrauen genießen, Zusammenarbeit und lebenslanges Lernen stärken können.
Für das Gelingen von Fernarbeit ist die persönliche Begegnung eine wichtige Voraussetzung. Nur sie schafft das nötige gegenseitige Verständnis und Vertrauen und lässt ein Gespür für die Individualität des Gegenübers entstehen. Physische Arbeitsbereiche bleiben deshalb als sozialer und kooperativer Knotenpunkt im Zentrum der Zusammenarbeit bestehen.
Unser Büro, unsere Heimat
Nach der Pandemie werden viele Unternehmen ihre Strukturen anpassen. Einige Veränderungen, die die Krise angestoßen hat, werden sicherlich bleiben. Dafür wird in Unternehmen die räumliche Anordnung von Arbeitsplätzen auf den Prüfstand gestellt.
Wiederkehrende Aufgaben werden digitalisiert, klassische Schreibtischarbeit kann vom teuren Bürostandort ins Homeoffice verlagert werden. Kreative und hochsensible Kernaufgaben wie Markenführung, Innovation und Management hingegen bleiben wohl auch in Zukunft am Unternehmensstandort verankert.
Angesichts der vielzähligen ortsungebundenen Möglichkeiten zur Arbeit wird der Gang ins Büro künftig zur bewussten Entscheidung. Mehr denn je wird das Headquarter damit zum Spiegel der Werte und Ziele des Unternehmens.
Office-Architektur, die Raumstrukturen dabei nicht nur als Organisationsabbild, sondern als gestaltete Wertschätzung gegenüber Wissensarbeitern versteht, stiftet Identität und bindet Talente mit Magnetwirkung ans Unternehmen. Vor allem, wenn große Veränderungen anstehen, kann ein ansprechend gestaltetes Office als Teil einer authentischen Corporate Architecture Heimat und Orientierung bieten.
Dort, wo die Arbeitslandschaft im Unternehmen trotz mobilen Arbeitens und Virtualisierung das Begegnungsfeld mit dem Herzen der Unternehmensmarke bleibt, wird das Headquarter zum „Heartquarter“: einem Ort, der die Unternehmenskultur haptisch und optisch erlebbar macht und die Gemeinschaft zusammenhält.
feco-feederle GmbH, Karlsruhe, Dezember 2020